Astronomie

Einzigartige Röntgen-Oszillationen an Schwarzem Loch

Nie zuvor beobachtete Veränderungen der Röntgen-Emissionen geben Astronomen Rätsel auf

Schwarzes Loch mit Begleiter
Röntgen-Oszillationen an einem supermassereichen Schwarzen Loch geben Astronomen Rätsel auf. Denn sie passen nicht zur Zerstörung eines normalen Sterns am Ereignishorizont. © NASA/CXC/M. Weiss

Was steckt dahinter? Astronomen haben nie zuvor beobachtete Röntgen-Oszillationen bei einem supermassereichen Schwarzen Loch entdeckt. Die Helligkeit dieser Röntgenemissionen schwankt ungewöhnlich schnell, was auf ein kompaktes Objekt sehr nahe am Ereignishorizont hindeutet. Gleichzeitig bewegt sich dieses Objekt – möglicherweise ein Weißer Zwerg – langsamer auf das Schwarze Loch zu als es dürfte, wie das Team in „Nature“ berichtet. Das wirft Fragen auf.

Kommt ein Stern einem supermassereichen Schwarzen Loch zu nahe, ist sein Schicksal besiegelt: Er wird von den enormen Gezeitenkräften auseinandergerissen und es kommt zu einem sogenannten Tidal Disruption Event (TDE). Diese stellare Katastrophe wird von gewaltigen Strahlenausbrüchen begleitet. Das Sternenmaterial sammelt sich in einer energiereiche Strahlung aussendenden Plasmascheibe um den Ereignishorizont und wird dann nach und nach ins Schwarze Loch gezogen.

Ungewöhnliche Oszillationen

Eine solche Tidal Disruption haben Astronomen im März 2018 auch um das rund 100 Millionen Lichtjahre entfernte supermassereiche Schwarze Loch 1ES 1927+654 detektiert. Beobachtungen mit dem europäischen Röntgensatelliten XMM-Newton zeigten zunächst einen starken Strahlungsausbruch an diesem rund ein Million Sonnenmassen schweren Schwarzen Loch. Anschließend sank die Röntgenstrahlung aus dem Umfeld der Akkretionsscheibe stark ab, um sich dann langsam wieder zu regenerieren.

„Doch dann bemerkten wir etwas, das noch nie zuvor beobachtet worden ist“, berichtet Koautorin Erin Kara vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Im Jahr 2022 zeigten Daten von XMM-Newton zunächst, dass die Röntgenstrahlung um 1ES 1927+654 nun in einem fast regelmäßigen Takt schwankte. Diese Oszillationen zeigten sich im Schnitt alle 18 Minuten. „Bisher sind nur eine Handvoll akkretierender supermassiver Schwarzer Löcher bekannt, die solche quasi-periodischen Oszillationen im Millihertzbereich zeigen“, schreibt das Team um Erstautorin Megan Masterson vom MIT.

Weißer Zwerg um Schwarzes Loch
Stammt die Oszillation von einem Weißen Zwerg, der das Schwarze Loch eng umkreist? © Sonoma State University/ Aurore Simonnet

Wer ist der Urheber?

Die Astronomen vermuten, dass diese Röntgen-Oszillationen durch ein schnell um den Ereignishorizont kreisendes Objekt verursacht werden. „Wenn man ein solches Phänomen im Röntgenbereich sieht, dann verrät einem das, dass dort etwas sehr nah am Schwarzen Loch ist“, erklärt Kara. Im Fall von 1ES 1927+654 könnte das Objekt nur wenige Millionen Kilometer außerhalb des Ereignishorizonts kreisen.

Doch ein normaler Stern wäre so nah am Schwarzen Loch längst zerrissen worden. Daher muss dieses Objekt besonders dicht und kompakt sein – möglicherweise ein Weißer Zwerg, wie das Team mithilfe von Modelsimulationen ermittelte. Ein solcher extrem dichter, kleiner Sternenrest wäre stabil genug, um trotz Materialverlust intakt zu bleiben. Den Berechnungen zufolge müsste der Weiße Zwerg im Orbit um das Schwarze Loch 1ES 1927+654 nur rund ein Zehntel der Sonnenmasse schwer sein.

„Weil diese Sternenreste so klein und kompakt sind, sind sie nur schwer auseinanderzureißen, dadurch können sie einem Schwarzen Loch sehr nahe kommen ohne zerstört zu werden“, erklärt Kara. „Dies könnte dann das nächste je an einem Schwarzen Loch detektierte Objekt sein.“

Schwer erklärbare Verlangsamung

Das einzigartige ist jedoch eine weitere Beobachtung: Die Röntgen-Oszillationen des Schwarzen Lochs 1ES 1927+654 haben sich auf unerwartete Weise verändert. Von 2022 bis 2024 verringerte sich ihr zeitlicher Abstand von 18 auf nur noch sieben Minuten – schon das ist außergewöhnlich: „Wir haben noch nie zuvor eine so dramatische Variabilität in der Rate der Strahlungsschübe gesehen“, sagt Masterson. „Dies ist ganz anders als bei einem normalen Schwarzen Loch.“

Noch merkwürdiger jedoch: Wenn diese Schwankungen auf ein spiralig um das Schwarze Loch kreisendes Objekt zurückgehen, müssten sich die Abstände der Röntgen-Oszillationen immer schneller verkürzen. Ähnliches zeigt sich auch bei Gravitationswellen von verschmelzenden Schwarzen Löchern. Doch beim Schwarzen Loch 1ES 1927+654 ist das Gegenteil der Fall: Die Periode der Röntgenoszillationen verkürzt sich mit der Zeit immer langsamer. „Eine solche Entwicklung können gängige Modelle für Begleiter stellarer Masse schwer erklären“, so die Astronomen.

Röntgen-Oszillationen
Veränderung der Röntgen-Oszillationen in verschiedenen Energiebereichen im Laufe der Zeit. © Masterson et al./ arXiv, CC-by 4.0

 

Zusatz-„Kick“ durch weggerissenes Material?

Was steckt dahinter? Bisher können auch Masterson und ihr Team darüber nur spekulieren. Modellsimulationen legen nahe, dass eine abgebremster Spiralbewegung nur dann möglich ist, wenn das Objekt eine Art Zusatzschub erhält. Dieser „Kick“ kann dann den Sturz ins Schwarze Loch abbremsen und vielleicht sogar verhindern. Bei einem Weißen Zwerg könnte der Massenverlust aus der äußeren Hülle diesen Zweck erfüllen, wie das Team erklärt: Das Schwarze Loch reißt genügend Material weg, um die Energieverluste und damit die orbitale Degradation auszugleichen.

Allerdings: Bisher ist unklar, ob es im Orbit um das supermassereiche Schwarze Loch 1ES 1927+654 wirklich einen Weißen Zwerg gibt – oder ob die ungewöhnlichen Röntgen-Oszillationen doch eine andere, noch unbekannte Ursache haben. Zudem lassen sich nicht alle beobachteten Merkmale der Röntgen-Oszillationen mit diesem Szenario erklären. Masterson und ihr Team hoffen daher, dass weitere Beobachtungen mehr Klarheit bringen.

„Künftige Röntgenbeobachtungen werden unsere Modelle überprüfen“, schreiben die Astronomen. „Wenn es sich um einen Orbiter von stellarer Masse handelt, müsste die Laser Interferometer Space Antenna (LISA) seine Gravitationswellen-Emission detektieren.“ Der Gravitationswellensatellit LISA soll in den 2030ern ins All starten. (Nature, 2025; doi: 10.48550/arXiv.2501.01581)

Quelle: Massachusetts Institute of Technology (MIT), European Space Agency (ESA)

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